Biomechanik und Kinematik
Das Hüftgelenk dient der Lastübertragung auf das Femur und ermöglicht einen größeren Bewegungsumfang - range of motion (ROM). Die Lastübertragung geschieht in Form von Drucklast auf den Femurkopf. Je nach Konfiguration des Schenkelhalses (Coxa vara, Coxa valga) resultiert daraus entweder eine vermehrte Druckbelastung oder Biegebelastung auf das proximale Femurende. Die daraus resultierende Kraft wird über den Schenkelhals auf den Femurschaft übertragen. Die Mikroarchitektur der Spongiosa (Zug- und Drucktrabekel) reagieren dynamisch auf die unterschiedliche Beanspruchung des proximalen Femurs. Dabei ändert sich diese Mirkoarchitektur im Laufe des Lebens ständig (Varisierung des Schenkelhalses im Alter), um die entsprechende Lastverteilung besser aufnehmen zu können. Der Trochanter major dient dabei als Hebelarm der Abduktorenmuskelgruppe, dadurch wird die Muskelkraft um ein vielfaches minimiert. Eine Reduktion des Offsets (z. B. durch Medialisierung des Drehzentrums) nach einer endoprothetischen Versorgung bedeutet eine Verkleinerung des Hebelarmes, der muskulären Vorspannung der pelvitrochantären Muskulatur und konsekutiv eine Instabilität des Hüftgelenkes.
Das Hüftgelenk erfährt auch ohne Belastung des Beines eine ständige Druckbelastung durch den Muskelzug. Dabei ändert sich diese Belastung je nach Stellung des Femurkopfes und Aktivität. Außer der Druckbelastung wirken Biege- und Torsionsmomente auf den Schenkelhals bzw. auf das proximale Femur ein. Diese sind abhängig von der Länge und Antetorsion des Schenkelhalses. Das kann eines der Gründe für die Lockerung der Schenkelhals- und Kurzschaftprothesen sein.
Die Krafteinleitung erfolgt physiologisch über den Schenkelhals in der Metaphyse des Femurs. Im Vergleich zur Kurzschaftprothesen erfolgt bei den Langschaftprothesen die Krafteinleitung diaphysär, was zum sog. "stress schielding" (Knochenverlust) des proximalen Femurs sowie kortikalen Hypertrophie in der Diaphyse führt. Zudem weißt sowohl das Implantat als auch das Femur eine unterschiedliche Elastizität (E-Modul) auf.
Durch eine adäquate präoperative Planung der Operation kann diese komplexe Biomechanik annährend wiederhergestellt werden.